Der Riechsinn des Hundes
Eine faszinierende Welt der Gerüche
© Text mit Foto: Iris Esser
Was ist denn am Wegesrand so interessant, dass unser Hund gar nicht mehr aufhört
zu schnüffeln? Warum reagiert er so aufgeregt auf eine Tierspur und lässt die
andere links liegen? Wie ist es möglich, dass Hunde Vermisste aufspüren oder Sprengstoff und Drogen erschnüffeln?
Wir können nicht einmal erahnen, welche Informationen der Hund mit seiner Nase aus seiner Umwelt herausfiltert. Tatsächlich sind Gerüche ein wesentlicher Bestandteil der hündischen Kommunikation untereinander, der uns völlig verschlossen bleiben wird.
Wie genau die Hundenase funktioniert ist auch heute noch nicht abschließend geklärt. Wir wissen, dass ein Geruch das gut befeuchtete Schnupperorgan rasch passiert und dabei viele Informationen bis zum Riechzentrum gelangen. Beim Menschen hingegen erreicht die Atemluft erst auf gewundenen Umwegen ihr Ziel. Dabei gehen viele Nachrichten verloren.
Für die nasse Hundenase sorgen übrigens zahlreiche Drüsen in den Schleimhäuten des Riechorgans, der Mundhöhle und der Zunge. Eine gut befeuchtete Nase ist die Voraussetzung für effektives Schnüffeln. Daher sollte man dem Hund bei der Nasenarbeit immer ausreichend Flüssigkeit anbieten. Hunde verfügen, je nach Rasse, über 100 bis 300 Millionen Riechsinneszellen auf ihrer Riechschleimhaut, die übrigens 30 bis 40mal größer ist als unsere. Wir Menschen müssen gerade einmal mit 10 bis 20 Millionen Riechzellen auskommen. Das kann uns zumindest einen Eindruck vermitteln, wie differenziert Hunde Düfte wahrnehmen können bzw. welchen Stellenwert dieser Sinn für sie haben muss.
Über dem Gaumendach besitzt der Hund ein zusätzliches Riechorgan (das Jakobson bzw. Jacobsonsches Organ oder auch Vomeronasales Organ genannt), das besonders sensibel auf Pheromone (Botenstoffe, die der biochemischen Kommunikation zwischen Lebewesen einer Spezies dienen) anspricht und wahrscheinlich die Wahrnehmung über die normale Nasenschleimhaut ergänzt.
Der Urin eines Artgenossen oder anderen Lebewesens ist daher viel mehr als ein körperliches Abfallprodukt. Ein Hund kann sich Informationen über den Gesundheitszustand, das Befi den (sind z.B. Stresshormone im Urin?) oder das Geschlecht eines anderen erschnüffeln. Heute geht man davon aus, dass unsere Vierbeiner auch Veränderungen im menschlichen Körper wahrnehmen können (z.B. Krebserkrankungen). Mittlerweile gibt es unter anderem speziell für Diabetiker ausgebildete Assistenzhunde. Sie sind in der Lage, ihre Besitzer vor Unterzuckerung
zu warnen. Sie können die chemischen Veränderungen in der Atemluft und im Schweiß des Patienten riechen. Der Hund weiß genau, dass das Kaninchen kurz vorher vorbeigehoppelt ist. Wir hingegen wären ohne die Reaktion des Hundes völlig ahnungslos.
Zweifellos leben Hunde in einer faszinierenden Welt der Gerüche. Dies sollten wir in unserem Zusammenleben mit ihnen berücksichtigen und ihnen Gelegenheit geben, ihre phantastischen Sinne zu nutzen!
Dies ist ein Textauszug aus dem Buch „Folge mir, mein Freund“ von Iris Esser. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© Caniris, 2011
Iris Esser ist PDTE-Mitglied.